
Ich dachte, dass es vielleicht den einen oder anderen interessieren könnte, meinen Zwischenbericht zu lesen. Über manche der Themen habe ich in meinem Blog noch nicht geschrieben, beispielsweise was eigentlich so meine Aufgaben sind und so weiter. Allerdings habe ich den Text ein wenig abgeändert und auch die anderen Personen, über die ich geschrieben habe, rausgelassen, wenn mir das Geschriebene zu persönlich war. Die wunderschönen Bilder hat Lukas übrigens hauptsächlich gemacht. Hier also mein Zwischenbericht in abgewandelter Form:
In Indien bin ich im Groben und Ganzen schon ganz gut angekommen. Natürlich ist das Gefühl vom Ankommen situationsbedingt. Doch vor allem das Pillar sehe ich mittlerweile als mein Zuhause an. Vor allem gefällt mir, dass die Fathers eine gewisse Erfahrung im Umgang mit Freiwilligen ausstrahlen und auf keine Fragen oder unser Handeln negativ reagieren.

In der Schule kommt es meistens auf die Kinder und Lehrer an, ob ich mich wohl fühle oder nicht. Im Kindergarten gefällt es mir besonders gut, weil ich die Kinder schon durch mein bloßes Dasein glücklich machen kann, was mir persönlich auch den Druck nimmt, ständig alles richtig machen zu wollen. Für die Kinder gibt es hier kein falsches Handeln meinerseits. Mittlerweile habe ich es auch geschafft, zu besonders mutigen Kindern ein Vertrauen aufzubauen, sodass sie auch mit mir herumalbern. Ich habe schon eine Lieblingsklasse gefunden und freue mich jede Woche wahnsinnig auf die Stunden, die ich dort verbringen darf. Auch die Lehrerin gibt mir ein gutes Gefühl. Erst kümmert sie sich immer um die Kinder und sobald sie ihnen eine Aufgabe gegeben hat, erklärt sie mir alles noch einmal auf Englisch (Ich habe bei ihr Tamil-Unterricht.) Ein Mädchen mag ich dort besonders gerne. Aufgrund eines Unfalls ist sie in ihrer Sprache sehr eingeschränkt und ich bin mir nicht sicher, ob sie auch geistig etwas davongetragen hat. Aber gerade deswegen kommuniziert sie, indem sie viel Gebrauch von Mimik und Gestik macht. Dadurch verstehe ich sie besser als die anderen Kinder. Manchmal glaube ich, dass auch sie darüber sehr glücklich ist, dass sie in dem Sinne endlich mal einen Vorteil gegenüber den anderen Kindern hat und ich freue mich für sie. Meistens unterstütze ich die Lehrer in ihrem Unterricht, indem ich den Kindern beim Schreiben helfe, Tabellen aufzeichne, Aufgaben kontrolliere und wenn alles richtig ist zeichne ich einen Stern oder eine Blume darunter (das ist ganz wichtig!!). Zudem lerne ich im Kindergarten gemeinsam mit den Kinder Tamil, sprich ich sitze zwischen den kleinen Rabauken und lerne genauso wie sie. Ich habe mehrmals am Tag Games mit den Kindern. Im Kindergarten gehe ich dann mit den Kindern auf den Spielplatz und mit den älteren Kindern spiele ich Ballspiele. Spoken Englisch unterrichten wir meist zu dritt oder zu zweit und üben in diesen Stunden mit den Kindern Unterhaltungen auf englisch zu führen. Die Lehrer helfen uns dabei, indem sie schwierige Ausdrücke übersetzen. Nachmittags geben wir dann zu dritt noch eine Bastel-AG und danach geben Lukas und ich Volleyballtraining. Wenn ich Zeit habe, bin ich mindestens zweimal die Woche in der Nähschule. Zusätzlich kümmern wir uns um die Organisation der Patenschaften und ich schreibe öfters E-Mails für Fr. Emmanuel (Fr = Father und nicht Frau, falls das immer noch nicht alle gecheckt haben)

In der Higher Secundary ist es für mich schon schwieriger. Ich glaube auch, dass es etwas damit zu tun haben kann, dass wir Mädchen an dieser Schule immer in Lukas‘ Schatten stehen. Die Kinder, sowie die Lehrer vergöttern ihn praktisch und auch wenn ich daneben stehe und versuche, mich an dem Gespräch zu beteiligen, schenken sie mir meist nicht wirklich viel Aufmerksamkeit. Aber das ist in Ordnung für mich, solange ich die Möglichkeit habe, meinen Platz im Kindergarten und in der Grundschule zu haben. Ich habe auch meinen Stundenplan so weit abgeändert, dass ich hauptsächlich nur noch die Kleinen habe. (Ich kann stolz behaupten, dass sich die Situation seit Neuestem immer mehr verbessert. Seitdem ich den Pottu trage, werde ich gefühlt viel mehr akzeptiert. Außerdem werden die Kinder etwas zutraulicher, je mehr Zeit man mit ihnen verbringt. Also versuche ich jetzt manchmal vor dem Unterricht bei den Mädchen vom Volleyball vorbeizuschauen.
Das Volleyballtraining ist immer ein bisschen hoffnungslos. Dadurch, dass die älteren nachmittags lernen müssen, können wir nur die siebte und achte Klasse unterrichten. Man merkt schon sehr stark, dass sie noch zu jung sind und es kommt fast nie zu einem erfolgreichen Training, weil einer der Jungs oder Mädchen immer den Ball in weite Ferne katapultiert. Ich habe in diesen Stunden auch eine andere, strenge Seite an mir entdeckt. Während ich sonst nicht zum Schreien neige, habe ich schon manch einen Ausraster gehabt. Allerdings musste ich auch feststellen, dass ich mich danach nicht freier fühle, sondern eher Halsschmerzen und Kopfschmerzen bekomme, also schicke ich die Kinder nun laufen, wenn ich sauer auf sie bin. Ich bin echt froh, dass ich mit Lukas zusammen trainiere. Er hat die Kinder definitiv besser im Griff. Freitags muss ich allerdings immer um meinen Platz kämpfen, denn da haben wir die neunten Klassen und die können ganz schön gemein zu mir sein… Auch wenn nicht immer alles so gut läuft machen wir geduldig mit dem Training weiter, denn auch wenn nichts klappt, freuen sich die Kinder auf diese Stunden.
In der Nähschule habe ich immer noch das Problem mit der Kommunikation. Doch wenn gar nichts mehr ging, habe ich auch schon manch einmal einen der Fathers angerufen, damit sie als Dolmetscher herhalten konnten. Meistens habe ich jetzt immer meine Kopfhörer drin, um besser abschalten zu können. Denn im Raum ist es immer unglaublich laut, da nicht nur fast alle Nähmaschinen im Gebrauch sind, sondern auch noch viele Frauen ihre Kinder mitbringen, die meist aus Langeweile quengeln. Ich wünsche mir manchmal ein bisschen selbstständiger sein zu dürfen und habe für die nächste Zeit Stoff für eigene Projekte gekauft und meine eigenen Schnittmuster gezeichnet, damit die Lehrerin mir nicht mehr ständig meine Arbeit aus den Händen reißen kann. Sie ist, glaube ich, der Meinung ich sei zu perfektionistisch und bräuchte dementsprechend zu viel Zeit, allerdings sehe ich das Nähen eher als Hobby an und habe den Luxus, mir Zeit dafür nehmen zu können. Doch das versteht sie nicht so richtig. Ich versuche trotzdem weiter meinen Weg zu gehen.

Ich reise total gerne, auch wenn es anstrengen ist und ich danach eher Urlaub vom Urlaub gebrauchen könnte. Wir haben oft die Möglichkeit über ein langes Wochenende wegzufahren oder eben in den Ferien. Auch die Fathers unterstützen uns hierbei in genau dem richtigen Maße und finden so könne man andere Seiten von Indien erleben. Allerdings reise ich immer noch, um neue Eindrücke des Landes zu erlangen. Ich würde aber auch gerne mal reisen, um neue Sachen an mir zu finden. Aber ich weiß nicht, ob ich es nicht unterbewusst doch schon tue und es einfach nur noch nicht spüren kann, weil die Veränderungen nicht groß genug sind. Oder ob ich schon so viele Seiten von mir zuvor gefunden habe, sodass es da nichts mehr so Bewegendes zu entdecken gibt.

Gerade dadurch, dass Lukas mit dabei ist, kann ich den Unterschied, der zwischen Frauen und Männern hier gemacht wird, persönlich spüren. Ich sehe es meistens als Bereicherung an, zu wissen, wie angenehmer für mich das Leben als Frau in Deutschland ist und kann für dieses Jahr mich den Umständen, so gut es eben geht, anpassen. Aber manchmal ist es auch eine Qual, ständig an zweiter Stelle zu kommen und von Fremden nicht ernst genommen zu werden. Vor allem sind viele wichtige Themen wie „Wo soll ich mit meinem Tampon hin?!“ hier oft ein Tabuthema, was manchmal echt anstrengend sein kann (gerade in der Situation, in der man versucht, das Ding loszuwerden).

In letzter Zeit ging es mir ehrlich gesagt nicht ganz so gut. Ich habe das Essen ja sowieso von Anfang an nicht ganz so gut vertragen. Doch seit Anfang Oktober hatte ich ständig Magenprobleme. Dadurch, dass wir ständig unterwegs waren, habe ich es auf das Essen außerhalb geschoben und mir keine Sorgen gemacht. Aber als wir nach unserem Besuch in Chennai zurückgekommen sind, wurde es immer schlimmer und ich habe auch noch Migräne und Fieber dazubekommen. Michaela ging es mit den Magenproblemen genauso und deswegen sind wir ins Krankenhaus. Wie sich herausgestellt hat, haben wir beide eine Magenschleimhautentzündung und ich hab mir zusätzlich einen Infekt eingefangen. Doch jetzt sind wir mit Medikamenten versorgt und ich hoffe auf Besserung.
Die Dreierkonstellation ist auf alle Fälle nicht immer einfach. Ich für meinen Teil würde es so empfinden, dass ich mit beiden auf unterschiedliche Weise gut auskomme und es gibt zwar manche Kanten, an die ich manchmal stoße, doch die wird es bei mir sicherlich auch geben. Wenn mich etwas sehr stören würde, würde ich auch was sagen, doch meist verstehe ich ihre Ansichten schon ohne ein klärendes Gespräch und bin dann davon nicht mehr abhängig.

Naja ich hoffe, dass die Dinge, die mich im Moment noch stören in Zukunft besser werden oder ich lerne, damit umzugehen. Ich freue mich auf weitere spannende Erlebnisse und die weitere Zeit in Indien. Für die Zeit, die ich hier verbringen darf, bin ich auf jeden Fall dankbar. Jede einzelne Sekunde weiß ich zu schätzen, auch wenn es mal nicht so rund läuft.
Sonnige Grüße aus Indien
Fiona








