Wo bist du?

Wenn man klein und echt verdammt sauer auf seine Eltern ist, dann träumt man immer davon, auf dramatische Weise wegzulaufen. Man packt seinen kleinen Koffer, schnappt sich sein Kuscheltier, knallt die Tür nach einem letzten wütenden Schrei zu und rennt davon. Zuhause bleiben die Eltern mit Sorgen und weil sie dich so sehr lieben, suchen sie nach dir. Suchen jeden Winkel ab. Drehen jeden Stein um. Wenn sie dich gut genug kennen, dann wissen sie ungefähr, wo du dich aufhalten kannst und finden dich, nehmen dich in den Arm und alles ist wieder gut.

In der Realität jedoch läuft man meistens, ohne sich von der Stelle zu rühren.
Man zieht sich in seine Gedanken zurück oder verliert sich in bestimmten Handlungen.
Man kann es sehen, wenn die Augen glasig und die Gesichtszüge emotionslos werden.
Wie jemand Stück für Stück der Realität entflieht.
Und wenn jemand erst einmal in seinem Kopf angekommen ist, wird es schwer werden, ihn dort wieder zu finden.
Doch was ist, wenn diese Menschen eigentlich doch auch nur wollen, dass es jemanden gibt, der weiß, wo sie sich verstecken und nach ihnen sucht?

Back to the hospital

Da ich nun schon wieder ins Krankenhaus musste, dachte ich, wird es langsam Zeit, darüber zu berichten. Alles fing damit an, dass auf meiner Stirn und später auf meiner Hüfte zwei Beulen gewachsen sind und höllische Schmerzen verursacht haben. Ich bin dann Freitagnacht noch mit einem der Fathers zur Notaufnahme gefahren, damit ich was gegen die Schmerzen bekommen kann. Die Ärzte dort waren nicht so über meinen Besuch begeistert und haben mit dem gleichen Eifer meine Wunden untersucht. Mir wurde gesagt, dass es sich dabei nur um Hitzebeulen handel und ich solle mehr Wasser trinken und vorsichtig mit der Sonne sein. Die Schmerzmittel, die ich bekommen habe, wirkten nicht und ich bin am nächsten Morgen mit einer Schwellung in der Größe eines halben Tennisballes (und an dieser Stelle übertreibe ich wirklich nicht, will aber auch nicht die Bilder davon posten, weil die echt ekelig sind) auf meiner Stirn aufgewacht. Deswegen habe ich noch einmal einem Arzt aus Deutschland die Bilder geschickt und mir wurde gesagt, es sei ein Abszess. Am Sonntag nach dem Gottesdienst war ich zum Frühstück bei den Schwestern eingeladen und zufällig war dort eine Schwester aus Italien zu besuch, die früher Krankenschwestern an der Hochschule ausgebildet hat. Sie hat sich meine Wunden angeschaut und  musste den Eiter an der Wunde an meiner Hüfte herausdrücken, weil sie der Meinung war, dass diese ein Abszess im Endstadium sei. An meiner Stirn hatte sich die Wunde schon vorher von alleine geöffnet und sie hat sie nur gesäubert. Ich hab mich gefühlt, als würde ich ein Kind aus dieser Wunde gebären… Es tat auf jeden Fall sehr weh, aber danach ließ der Druck wenigstens nach.

Am nächsten Morgen bin ich aufgewacht und konnte meine Augen nur noch schwer öffnen, weil die Schwellung an meiner Stirn nach unten gerutscht ist und auf meine Augen gedrückt hat. Ich bin also wieder ins Krankenhaus und dort wurde sich auch meine Wunde am Bein angeschaut, die wieder angefangen hatte zu eitern und es musste noch ein Facharzt geholt werden, der sich das anschauen sollte. In der Zeit, in der wir auf ihn warten sollten, waren wir Pizza essen und es war die erste Pizza in Indien, die man essen konnte (Zwar nicht so geil wie in Deutschland, aber schon gut).

Danach wurde sich die Wunde noch einmal vom Facharzt angeschaut und es war ziemlich schnell klar, dass die Wunde aufgeschnitten werden musste. Ich hatte solche Schmerzen und hab wohlgemerkt zu dem Zeitpunkt seit Mittwoch nicht mehr richtig geschlafen und war mit meinen Nerven so am Ende, dass ich durchgängig geweint habe (Oh und ich war von meinen Hormonen beeinflusst, aber dazu später mehr). Auf jeden Fall habe ich dann eine Betäubung bekommen, an meinem Bett standen Ela und Kamatchi, die mich abgelenkt haben und dann war es auch schon wieder vorbei. Operiert wurde ich in einem großen Raum, in dem sich alle Patienten, die gerade in Behandlung waren, befunden haben. Getrennt wurden wir durch Vorhänge. Mein Bett wurde übrigens frisch bezogen, weil ich mich vorher geweigert habe, mich dort draufzulegen. Aber ich fand meinen Anspruch gerechtfertigt, da dort Flecken von der Jodlösung auf dem Überzug waren. Die Krankenschwestern waren super lieb zu mir, nachdem ich angefangen habe, ständig zu weinen, ist immer mindestens eine bei mir geblieben. Und auch jetzt als ich zur Kontrolle noch einmal da war, waren sie wieder alle um mich besorgt. (Aber ich hab dieses Mal fast gar nicht geweint.)Nach der Behandlung ist der Arzt samt seinem rollbarem Operationstisch zum nächsten Patienten aufgebrochen. Neben mir wurde ausversehen ein Vorhang zu früh geöffnet und die Frau auf der Liege neben mir war sichtbar geschockt über meinen Anblick. Danach durfte ich auch schon wieder aufstehen. Dabei gab es noch einmal ungewollt freie Sichtbahn auf mein nacktes Hinterteil, aber ich war (zum Glück) zu benebelt, um dies zu registrieren und die Schwester hat sehr souverän gehandelt und mich wieder zugedeckt.

Und da ich mich ja sowie in jedes Fettnäpfchen stürze, war klar, dass mir das passiert, was ich nun berichte. Dadurch, dass ich so viele Schmerzmittel genommen habe, hatte ich nicht die bei Frauen bekannten Unterleibschmerzen und da ich sowieso über eine halbe Woche drüber war, dachte ich, ich sei zu krank, um meine Regel zu bekommen. Aber nein, Pustekuchen. Ich, Fiona, absolutes Glückskind musste meine Tage an diesem Morgen im Krankenhaus bekommen. Aber hey, das ist ja was ganz Natürliches… Da ich nichts mit hatte, versuchte ich Kamatchi das unbeholfen zu erklären, diese musste beim Father nach Geld fragen und hat mir dann was besorgt. Allerdings ein bisschen zu spät, sodass mein Höschen schon vollkommen blutdurchtränkt war. Hinten war es von der Jodlösung total gelb und nass. Mir war das schon ein bisschen sehr unangenehm, aber Ela meinte, dass die bestimmt schon Schlimmeres gesehen hätten und viele sich bestimmt auch schon „eingeschissen“ hätten. Und so lag ich da in meinem befleckten Unterhöschen und war froh, mir wenigstens nicht in die Hose gekackt zu haben. (Manchmal fühle ich mich wie in einer Reality-Show, wenn ich so über meine peinlichen Erlebnisse nachdenke.) Ich glaube auch ganz ehrlich, nicht oft Glück im Leben zu haben. Aber ich bin ganz gut darin, das Beste aus Scheiß-Situationen zu machen.

Ich hatte dann am Dienstag –also am nächsten Tag- Geburtstag. Ich fand es gar nicht so schlimm, meinen Geburtstag nicht in der gewohnten Umgebung feiern zu können (Auch wenn ihr euch das vielleicht gerne gewünscht habt). Klar hab ich meine Lieben vermisst, aber ich sehe die Personen hier als meine Ersatzfamilie für dieses Jahr an und sie sind ein verdammt guter Ersatz.

Also zum Ablauf meines Geburtstages: Beim Frühstück wurde ich schon mit einer fetten Torte und einem tollen Geschenk überrascht. Später gab es auch noch eine kleine Feier mit den Lehrern in der Schule und abends kamen Kamatchis Töchter noch vorbei. Wir haben Spiele gespielt und im Anschluss haben wir zusammen zur Feier des Tages im TV Raum gegessen. Aufgrund der Wunden war ich in meinen Bewegungen ein bisschen eingeschränkt und musste es etwas ruhiger angehen lassen.

Er hat es dafür auf jeden Fall Krachen lassen

Happy Children’s Day

Vorletzte Woche Sonntag (dieser Post ist hochaktuell, wie ihr seht…) ist eine vierte Freiwillige bei uns in Madurai angekommen. Kathi bleibt für drei Wochen und hat ungefähr die gleichen Aufgaben wie wir.

Die Woche haben wir in der Schule den „Children’s Day“ gefeiert. Dafür haben die Lehrer für die Kinder ein Programm zu ihrer Unterhaltung erstellt. Jeder hatte etwas dazu beizutragen und musste entsprechend einen Sketch vorspielen, singen oder tanzen. Zusätzlich haben die Lehrer für jeden Schüler aus ihrer Klasse eine Karte vorbereitet, die im Unterricht persönlich übergeben wurde. Beim Children’s Day wurden noch verschiedene Preise übergeben. Lukas und ich haben zusammen getanzt, während Ela die Bühne mitgeschmückt hat und Kathi hat ganz spontan für die Kinder „Pippi Langstrumpf“ gesungen.

Ich poste das Video nicht, weil ich finde, dass wir unglaublich gut getanzt haben. Das Video zeigt einfach perfekt, wie solche Dinge in Indien ablaufen. Mühevoll haben wir für unseren Auftritt geprobt und dann hat die Technik versagt…vor allem wussten wir nie, an welcher Stelle die Musik wieder einsetzt, was aus unserem Auftritt ein wahres Abenteuer machte. Und ja die Verwirrung steht mir mal wieder mitten ins Gesicht geschrieben. Die Kinder haben uns natürlich trotzdem gefeiert, vor allem weil sie selbst nicht zu solcher Musik in der Schule tanzen dürfen. Ich fand es nur total schade, dass niemand meinen Witz mit der Marschmusik aus dem morgendlichen Assembly verstanden hat. Aber hey, ich selbst kann da immer noch heimlich drüber lachen und hab somit meinen Spaß…

Und zum Abschluss habe ich noch ein paar zuckersüße Bilder der Mädchen aus der Nähschule. Die sehen übrigens nur so unschuldig aus. In Wahrheit jedoch neigen sie dazu, Schuhe zu klauen und sonstigen Blödsinn anzustellen. Meist klemmt sich dabei immer eine die Finger und dann ist das Gejaule groß. Doch ihnen sei in dem Moment verziehen, wenn sie sich an deiner Tischkante hochziehen und mit unschuldigem Blick zu dir heraufstarren.