Alappuzha/Alleppey

Am zweiten Januar ging es für uns dann mit dem Zug von Varkala aus weiter nach Alleppey. Die Zugfahrt war für mich der absolute Horrortrip, denn auch wenn wir eine Platzreservierung hatten, waren unsere Plätze von einer indischen Familie belegt. Da wir auch mit ihnen noch ausreichend Platz hatten und auch nur eine Fahrt von zwei Stunden hinter uns bringen mussten, haben wir nichts dazu gesagt. Doch je weiter wir Richtung Alleppey kamen, desto unruhiger wurden die Kinder, desto mehr Platz nahmen sie in Anspruch, desto mehr verlor ich meine Nerven. Als dann noch drei Männer mit auf unsere Bank wollten und die anderen sie aber nicht verscheuchen wollten, weil sie die Unterhaltungen mit ihnen genossen, war für mich Schluss. Mir war so schlecht, dass ich mir einen Platz unter dem Dach ganz für mich allein gesucht habe. Den Platz musste ich mir nur mit diversen Gepäckstücken teilen.

In Alleppey angekommen ging es mit der Rikscha zu unserem Hostel. Die Familie, der das Hostel gehörte, war super nett, sie haben sogar unsere Wäsche mitgewaschen. Auch das Zimmer war zwar klein, aber sauber und gemütlich. Wir hatten auch einen Balkon, sodass es dort auch eine Fluchtmöglichkeit gab, wenn das Zimmer zu klein wurde.

Gleich am ersten Tag ging es für uns noch an den Strand. Doch ich muss sagen, wer im Bikini am Strand liegen möchte, sollte sich lieber einen anderen suchen. Offiziell ist es erlaubt, dort so leicht bekleidet seine Zeit zu verbringen, aber die meisten findet man dort eingepackt in Klamotten. Vor allem auch, weil es mehr Inder als westliche Touris gibt. Was mich absolut gestört hat, war wie viele Bilder von mir aufgenommen wurden. Teilweise hatte ich einen Gastauftritt in irgendeinem Videoanruf oder die Leute haben so getan, als würden sie Selfies machen oder den Strand fotografieren und in Wirklichkeit war ich auf dem Bild zu sehen. Am dreistesten war eine Frau die sich direkt vor uns gestellt hat und uns fotografiert hat. Ich habe sie dann darauf angesprochen, woraufhin sie lachend weg gerannt ist. Nach der Aktion haben sind wir zurück zu unserem Hostel gegangen. Der Strand war auch nicht so sauber wie wir es von den Stränden in Varkala und Chennai schon kannten.

Allerdings ist Alleppey für seine Backwaters bekannt und somit haben wir darauf auch unseren nächsten Tag verwendet. Mit einem kleinen Bötchen sind wir die Kanäle ein Stück weit rausgefahren und haben gesehen, wie den Menschen an den Ufern leben. Zum Schluss gab es einen Abstecher zu einer Insel. Ursprünglich haben dort 14 Familien gelebt, wurden jedoch von der Regierung verdrängt, da es dort keine Krankenhäuser gab und das Leben somit zu gefährlich gewesen wäre. Allerdings hat die Regierung schon geplant, demnächst eine Hotelanlage auf der Insel zu errichten… (Mich hat es übrigens schockiert, wie positiv der Guide uns davon erzählt hat.)

Den restlichen Tag haben wir sehr unproduktiv verbracht und später noch unsere Sachen gepackt, da es für uns am nächsten Tag weiter zum Seminar ging.

Happy New Year

Den Jahreswechsel haben in Varkala gefeiert. Das Angebot an öffentlichen Feiern war recht groß. Letztendlich wurden wir von einer Party direkt an den Klippen überzeugt, bei der um zwölf Himmelslaternen losgelassen werden sollten. Den kompletten Abend hatten wir ein Anhängsel dabei, da wir am Nachmittag Zeit mit einem Verkäufer verbracht haben. (Er hatte sich daraufhin unsterblich in Ela verliebt und wir wurden ihn nicht mehr los.)

Schon einmal vorab: Die Party an sich hat sich für das Geld nicht gelohnt. Die Musik war nur so semi-gut. Ich hatte mich auf die Gute-Laune-Musik gefreut, die wir die letzten Tage zu hören bekommen hatten. Stattdessen gab es zum Tanzen zu langsame Elektromusik. Die Musik wurde auch nicht besser, als Lukas und ich der Tanzfläche einen Besuch abgestattet haben. Mir ist allerdings schnell aufgefallen, dass ich das einzige weibliche Wesen auf der Tanzfläche war. Die anderen Frauen standen nur am Rand. Zuerst hatte ich Sorge, dass ich dadurch von vielen Männern angesprochen werden könnte, doch Lukas war der einzige, der von anderen angesprochen wurde. Ein Mann wollte ein Bild machen und als ich meinte, dass ich keins machen will, kam als Antwort so etwas wie: „Dich habe ich ja auch gar nicht gefragt.“  Nichtsdestotrotz haben wir viele nette Inder kennengelernt, die uns auch noch Reisetipps für unsere nächsten Reiseziele gegeben haben.

Um zwölf wurden dann ganze vier Laternen in den Himmel geschickt!!! (Feuerwerke gab es übrigens kaum) Das war dann auch der Auslöser dafür, die Party erst einmal zu verlassen. Wir sind dann runter zum Strand, was bei der Treppe und in der Dunkelheit eine abenteuerliche Angelegenheit war. Doch unten angekommen, hatte sich der Abstieg gelohnt. Am Strand haben wir eine Gruppe am Lagerfeuer erspäht und gefragt, ob wir ihnen Gesellschaft leisten können. Prompt wurden wir aufgenommen.

Die Mitglieder der Gruppe waren esoterisch angehaucht. Sie kamen teils aus der Slowakei und Großbritannien und auch noch aus anderen Ländern.  Die Meisten haben sich durch einen Scharmanen kennengelernt, den sie bei einer Reise im Amazonas getroffen haben. Umrandet von der Natur und verbunden mit der Erde haben sie Traditionen erfahren, die sie nun weiterführen wollten. Beispielsweise hat mir einer der Männer erzählt, dass er für Pflanzen singen würde, damit sie besser wachsen. Jeder von den Leuten hatte ein Talent und bestimmte Erfahrungen, die mit den anderen geteilt werden sollten. An dem besagten Abend feierten sie gemeinsam das vergangene Jahr und hießen das neue willkommen.

Gleich zu Beginn wurden wir erst einmal gesegnet. Dabei wurde mit einem in Meerwasser getränkter Strauch über unsere Haut gestreichelt, um den Ozean um seinen Segen zu bitten. Daraufhin wurde auch das Element Feuer eingebraucht, indem der Strauch erst über dem Feuer ausgeschüttelt wurde und dann der Rauch auf uns übertragen wurde. Dazu wurden noch ein paar schöne Worte gesprochen, die ich mir leider nicht merken konnte.

Danach wurden erst Mantras gesungen. Nach jedem beendeten Lied wurde „haux haux“ gerufen, was so viel wie „let the healing begin“ bedeutete. Später kamen auch noch ein paar Inder dazu und es wurden englische Songs gesungen. Die Zeit am Feuer war so besinnlich und hat für mich das Silvester zu einem ganz besonderen Erlebnis hier in Indien gemacht.

Als die Gruppe sich gegen drei Uhr morgens dann verabschiedet hat, ist Ela aufgefallen, dass ihre Schuhe fehlten. Also haben wir mit Handytaschenlampen den Strand erfolglos abgesucht. Lukas ist in der Zeit bei einer Gruppe Indern, die sich zuvor die Gesänge am Strand mit angehört hatten, gestrandet. Somit haben wir uns noch zu ihnen gesetzt. Die Männer waren super witzig und sympathisch, sodass wir bis kurz nach fünf noch bei ihnen saßen. Das lustigste war, dass wir aufgrund der Hautfarbe immer nur ihre Zähne sehen konnten. Darüber haben dann auch sie Späße gemacht und meinten, wir würden dafür strahlen.

Im Anschluss mussten wir die Treppen zu den Klippen wieder hochkraxeln, was definitiv noch anstrengender war als beim ersten Mal. Oben gut angekommen sind wir fast eine Stunde zurück zu unserem Hostel gelaufen. Unterwegs hat Lukas sich noch ein Palmenblatt gegönnt. Dieses musste er allerdings draußen lassen, denn „ein Palmenblatt kommt mir nicht mit ins Zimmer.“

Zurück im Zimmer fielen wir alle in einen komatösen Schlaf und erwachten erst gegen Nachmittag. Leider wussten wir nicht, dass an Neujahr viele Restaurants erst um 17 Uhr Essen servierten, sodass es zu einem Überlebenskampf wurde, etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Mit doch noch vollem Magen ging es dann ein letztes Mal ins Wasser und am Abend stand das Packen der Backpacks auf dem Programm, da es am nächsten Tag für uns ans nächste Ziel ging.

Varkala

Etwas hektisch mussten wir noch an Weihnachten unsere Backpacks packen, da wir unsere Abreise um einen Tag verplant hatten. Trotz dessen schafften wir es am 27. noch pünktlich zum Bahnhof.

Viel zu früh kamen wir an unserem ersten Reiseziel Varkala an. So kam es, dass wir schon um sechs Uhr in der Früh bei unserem Hausherren vor dem Haus standen. Eigentlich wollten wir dort aufgrund der frühen Uhrzeit auf ihn warten. Doch ein zuvorkommender Gast hatte uns entdeckt und unseren Plan nicht verstanden. Er dachte, wir wüssten die Handynummer des Hausherrn nicht und hat ihn -freundlich wie er war- sofort für uns angerufen. Kurz darauf stand ein verwirrter und schlaftrunkener Mann vor uns und wusste nicht recht, was er mit uns anfangen sollte. Schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass etwas mit unserer Buchung schief gelaufen war. Demnach war für uns das gebuchte Zimmer nicht erhältlich. Zum Glück hat für uns eine nette Mitarbeiterin von Airbnb am Telefon das Problem gelöst und wir haben doch noch ein Zimmer bekommen. Allerdings mussten wir in einem unglaublich kleinen Zimmer leben und eine Person musste auf dem Boden schlafen. Doch wir sind jung und flexibel und so konnten wir damit leben.

Nach einem Nickerchen ging es auch gleich zum Strand. Das Hostel hatte eine unglaublich gute Lage, sodass wir nur wenige Minuten zu Fuß zu den Klippen brauchten. Oben befinden sich überall Restaurants und Geschäfte und Treppen führen nach unten hin zum Strand. Diese sind mit die saubersten Strände in Indien und man darf im Bikini baden gehen. Varkala ist so etwas wie ein Paradies für Hippies. In den Geschäften gibt es neben der typischen Kleidung auch den dementsprechenden Schmuck und Steine zu kaufen. Man kann Workshops im Schmuckmachen belegen oder Yogakurse belegen. Zwischendurch sieht man auch Gruppen am Strand, die dort vor sich hin meditieren. Es gibt sogar Surfunterricht. Der Ort hat etwas total Entspanntes an sich. In den zahlreichen Restaurants kann veganes, vegetarisches oder healthy food wie Smoothies, Budda- und Müsli-Bowls bestellt werden. Natürlich gibt es neben dem hippen Essen aber auch Fleisch und Fisch. Außerdem ist der Kauf von Alkohol legal. Allerdings wird das Bier in Tassen serviert und die Flasche muss unter dem Tisch versteckt werden, damit andere Leute das Bier nicht so offensichtlich sehen. (Weil es ja auch überhaupt nicht auffällig ist, wenn auf jedem dritten Tisch ne Tasse Bier steht…)

Kleidungstechnisch war man an diesem Ort sehr frei, was ich auch sofort ausgenutzt und genossen habe. Man konnte als Frau problemlos nachts alleine unterwegs sein, doch um eins machten die meisten Geschäfte zu. Das Angebot war insgesamt super schön und ich hatte für die Tage einen wirklich schönen Urlaub. Es lohnt sich also sehr, einen kleinen Abstecher dahin zu machen. Doch ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, in einer Blase zu leben. Mir tun die Menschen leid, die nur an solche Orte reisen und meinen, Indien erlebt zu haben. Da bin ich auch unglaublich dankbar, dass mir der Freiwilligendienst ermöglicht wird. Denn sonst hätte ich wahrscheinlich nie so nahe Berührungspunkte mit der indischen Kultur genießen können.