Unser Rückflug

Am Freitag ging bei uns die Mail ein, dass ab Montag, den 23. März keine internationalen Flüge aus Indien mehr stattfinden sollen. Da wir ab Mumbai um 2.30 Uhr unseren Flug gebucht hatten, fiel unser auch weg. Zur Sicherheit riefen wir am Samstag noch einmal bei der Fluggesellschaft an und auch diese bestätigte den Ausfall unseres Fluges. Zudem sollte ab dem Sonntag eine freiwillige Ausgangssperre einsetzen, die anscheinend nicht ganz so freiwillig war, da jeder sich strickt daran hielt. Also stellten wir uns darauf ein, auf ungewisse Zeit in Indien bleiben zu müssen und auf die Rückholaktion aus Deutschland zu warten. Wir hätten ansonsten noch die Möglichkeit, am Samstag zu fliegen, gehabt. Allerdings wäre bei diesen Flügen auch nicht gewiss gewesen, ob sie wirklich stattfinden und wir wollten lieber auf unserer Stelle bleiben, als auf irgendeinem Flughafen festzustecken.

Also planten wir die restlichen Tage gemütlich zu Hause ein. Die ganze Zeit war ich mir allerdings nicht sicher, ob und wie weit ich meinen Koffer wieder auspacken sollte. Doch das Wochenende wollte ich damit noch größtenteils warten und hab nur ganz wenig wieder ausgepackt.

Sonntagmorgen hat Lukas dann plötzlich einen Anruf der Fluggesellschaft bekommen. Diese berichtete von einer Sondergenehmigung unseres Fluges und wollten wissen, ob wir diesen noch antreten wollen. Uns blieb kaum Zeit zum Nachdenken. In einer halben Stunde mussten unsere Koffer gepackt werden (zu dem Zeitpunkt war ich besonders froh, ihn noch nicht wieder ausgepackt zu haben). Ich habe einfach blindlinks alles geschnappt, was ich in der kurzen Zeit noch zu packen bekommen habe und habe es in meine Tasche und Koffer reingestopft. Dann hab ich versucht den Müll in Müllsäcken zu sammeln und hab für den Flughafen Klopapier eingepackt. Alle waren total im Stress, denn eigentlich war ja auch eine Ausgangssperre angesagt und die Botschaft hat extra noch einmal empfohlen, Zuhause zu bleiben. Und auch wenn der Flug von Mumbai anscheinend stattfinden sollte, wussten wir nicht, ob wir einen Inlandsflug nach Mumbai bekommen können. Die Fathers waren -mehr als wir selbst- um unsere Sicherheit besorgt und haben uns die Koffer uns alles ins Auto getragen. Dann gab es eine schnelle Verabschiedung und mit dem Auto wurden wir zum Flughafen gebracht.

Deswegen haben auch die Fathers am Flughafen gewartet, bis wir durch die Sicherheitskontrolle durch waren. Der Flughafen war wie leer gefegt, denn der Flug, mit dem wir starten sollten, war der einzige, der noch geflogen ist. Wir konnten so durch, obwohl unsere Koffer Übergewicht hatten… Im Flugzeug saß auch kaum jemand und wir haben uns total unwohl gefühlt, da wir anders als alle anderen Passagiere keinen Mundschutz hatten.

In Mumbai angekommen mussten wir zehn Stunden warten und die ganze Zeit wussten wir nicht, ob der Flug nicht doch noch abgesagt wird. Es war schon ein wenig gruselig, denn es war auch wieder kaum etwas los und die Mehrheit der Reisenden war nicht indisch. Fast alle Geschäfte waren geschlossen, nur ein paar Restaurants und die Apotheke waren offen. Zum Glück haben wir dort auch noch eine Schutzmaske bekommen.

Zwischendurch haben wir uns noch mit anderen Reisenden unterhalten und ich muss sagen, wir hatten unglaublich Glück im Unglück. Viele mussten noch von Amsterdam weiter nach Amerika oder Kanada fliegen. Ein Mann aus Malta war von Kopf bis Fuß tätowiert und hatte in der letzten Woche unglaubliche Schwierigkeiten. Er wurde aus seinem Hotel geschmissen, konnte in den meisten Restaurants kein Essen mehr bekommen und musste zweieinhalb Stunden zum Flughafen laufen, weil keine Rikscha oder kein Taxi ihn mehr mitnehmen wollte. Viele haben davon erzählt, dass Inder ihnen ausgewichen seien und jetzt mit der Ausgangssperre alles noch schwieriger geworden sei. Die Stimmung unter allen Reisenden war durch die Angst vor Krankheiten und die Anschlussflüge zu verpassen angespannt. Kurz bevor wir in den Flieger einsteigen sollten, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen ein paar Passanten und dem Personal. Ein Mann hat sich darüber aufgeregt, dass es kaum gesundheitliche Kontrollen gab. Er meinte, dass es völlig wahnsinnig sei, denn wenn einer krank im Flieger sitzt, wären alle in Gefahr. Seine Wut hat er dann gleich an dem Mann am Schalter ausgelassen. Dieser versuchte ihn gerade zu beruhigen, als der nächste sich schon aufgeregt hat. Diesmal war die zeitliche Verzögerung der Grund für die Aufregung. Das Argument, dass sich durch die ganzen Ausbrüche der Einstieg nur noch mehr verspätet, hat dann auch schnell für Beruhigung gesorgt. Doch die ganze Aufregung hat alle aufgewühlt. Als ich dann noch die ganzen Slums beim Abflug aus dem Fenster gesehen habe, war es auch vorbei bei mir. Mein Kopfkino setzte wieder ein und ich war kurz vor der Tränen, weil ich so Angst davor habe, dass der Virus nach Indien kommt. (Da bin ich einfach wieder zu sensibel für diese Welt…) Ich hab mir dann meine Beruhigungspillen (zum Glück der anderen) eingeworfen und hab die neun Stunden Flug fast vollständig durchgeschlafen.

In Amsterdam gab es dann den ersten Temperaturtest nach unserer Ankunft. Ständig wurden Ansagen gemacht, dass Sicherheitsabstände eingehalten werden sollen und es war wieder mehr los am Flughafen. Nach zwei Stunden Umsteigezeit saßen wir dann im Flieger nach Düsseldorf. Dort wurde ich dann von meiner Schwester und meinem Vater abgeholt.

Ich war heilfroh, dass ich am Flughafen noch ein Brötchen bekommen konnte, denn der Service im Flieger wurde weitestgehend eingestellt und ich war deswegen halb verhungert. Am Auto wurde ich erst einmal komplett mit Desinfektionsmittel eingenebelt und meine Schwester hat auch noch einmal das Auto von innen gereinigt. Im Anschluss ging es endlich nach Hause. Die anderen Freiwilligen, die ursprünglich mit uns zusammen fliegen wollten, habenden Flug nicht angetreten und sitzen jetzt noch in Indien. Dadurch, dass alles an öffentlichen Verkehr und weiteres bis zum 31. März eingestellt wurde, kommen sie auch nur schwer zu den Flughäfen… Ich bin gespannt, wie sich das noch entwickeln soll und bin froh, dass wir noch den letzten Flug genommen haben. Auch wenn wir in dem Moment kaum über unser Handeln nachgedacht haben und aus reinem Reflex gehandelt haben, war es die richtige Entscheidung, die wir für uns getroffen haben.

Tiefpunkt

Ich hätte mit so vielem in diesem Jahr noch gerechnet. Doch dass ein Virus sich zu so einer Katastrophe entwickelt und nun der Grund ist, warum mein Freiwilligendienst hier in Indien beendet werden muss, hätte ich mir nicht erdenken können.

Am Montag haben uns die Jungs aus Nordindien angerufen und meinten plötzlich, dass sie einen Rückflug nach Deutschland gebucht hätten und am Donnerstag das Land verlassen würden. Zudem sprachen sie davon, dass es bei uns demnächst auch noch so weit kommen könnte. Wir drei haben die beiden zu dem Zeitpunkt für verrückt gehalten, haben ihre Entscheidung für viel zu übertrieben empfunden. Denn bei uns in Tamil Nadu sah die Welt noch völlig idyllisch aus. Die einzige Maßnahme war, dass die Kindergärten und Grundschulen geschlossen wurden. Ansonsten hatte der Virus hier für uns noch gar keinen Einfluss. Ganz im Gegenteil Indien sah zu dem Zeitpunkt noch so viel besser aus als Deutschland.  

Kaum eine Stunde später hat Regina – unsere Chefin – mich angerufen und uns dreien die Lage geschildert. Sie war sich zu dem Zeitpunkt noch nicht sicher, ob wir das Land verlassen müssen, meinte jedoch, wir sollten zur Sicherheit schon einmal unsere Sachen zusammen suchen und uns für eine Ausreise bereit machen.

Wir hatten kaum Zeit, diese Nachricht zu verdauen, da kam auch schon die Mail von weltwärts, in der beschlossen wurde, dass alle Freiwilligen so schnell wie möglich nach Deutschland kommen müssen.

Auch wenn es in den meisten Ländern, in denen wir uns derzeitig befinden noch besser aussieht als in Deutschland, kommen wir nicht an der Rückreise vorbei. Grund dafür ist die Angst, dass wir in unserem Land festsitzen könnten. Denn den Entwicklungen zufolge werden alle internationalen Flüge und wahrscheinlich auch die eisten nationalen Flüge eingestellt. Sollten wir also dann nicht mehr aus unserem Land rauskommen und hier der Virus genauso ausbrechen, haben wir ein Problem. Schließlich ist hier die gesundheitliche Versorgung nicht so gegeben, wie wir sie in Deutschland erfahren würden. Wenn dann auch noch unser Visum ablaufen würde, würden wir hier im Sommer immer noch sitzen, hätten wir noch weitere Schwierigkeiten.

Es gibt auch Freiwillige von unserer Organisation, die in ihren Ländern festsitzen und im Moment noch auf ein zufälliges Flugangebot oder auf einem von der Botschaft organisierten Flug warten. Bei uns in Indien haben sich auch schon die meisten Freiwilligen aus dem Staub gemacht. Leider lag ich den Anfang der Woche noch mit Fieber im Bett und bin bis gestern noch ziemlich am Husten und verschnupft gewesen (Klimaanlage war schon wieder Schuld), sodass wir frühestens für Sonntag eine Ausreise planen konnten. Bis zum jetzigen Stand wurde unser Flug noch nicht gecancelt, doch immer mehr Flüge –selbst Inlandsflüge- werden gestrichen  und die Strecken werden zu richtigen Abenteuerreisen. Lukas‘ Familie zum Beispiel ist von Delhi über Dubai und Moskau nach England geflogen und von dort aus mit dem Zug nach Deutschland. Insgesamt haben sie vier Tage gebraucht, um ins Heimatland zurück zu kehren. Ich bete, dass wir uns diesen Stress sparen können. Wir prüfen auch mehrmals täglich, ob unser Flug noch geht. Witziger Weise fliegen wir mit drei Freiwilligen, die wir auf unserem Seminar in Kochi kennengelernt haben.

Für uns ist die Nachricht selbstverständlich ein großer Schock. Schließlich wurden wir innerhalb weniger Stunden aus unserem Alltag gerissen. Das Leben hier in Indien war so kostbar für mich und wurde mir mit einem Schlag genommen. Ich konnte mich noch nicht einmal von meinen kleinen Babys in der Schule verabschieden, da diese ja geschlossen wurden. Wir hatten gerade unsere Urlaubsplanung begonnen und so viele schöne Reiseziele rausgesucht und wollten uns mit ein paar Leuten in Goa treffen. Ich wollte noch so vieles ausprobieren. Ich habe weder für die Menschen hier ein Abschiedsgeschenk, noch für alle Leute in Deutschland ein Mitbringsel (was natürlich eher zweitrangig ist, mich trotzdem beschäftigt). So oft habe ich gesagt: „Ach, das kann ich später machen.“ Jetzt bleibt für vieles keine Zeit mehr. Die letzten Tage hier in Indien wollten wir eigentlich genießen, doch ich schwimme praktisch im Stress. Wir springen von einer Abschiedsparty zur nächsten, versuchen krampfhaft unsere To-Do-Listen abzuarbeiten und müssen gleichzeitig unser halbes Jahr in unsere Koffer packen. Seit Montag habe ich nicht mehr ausgiebig geschlafen und mir hängen die Augenringe schon bis auf den Boden.

Ich bin dankbar für die vielen Erlebnisse, die wir in so kurzer Zeit machen durften, da hatten wir unglaublich Glück. Ich freue mich auf meine Lieben in Deutschland und kann verstehen, dass ihr mich lieber daheim hättet. Doch im Moment kann ich das noch nicht so wirklich zeigen, denn die Trauer um das, was mir genommen wird, ist viel zu aktuell und überlagert manchmal noch die positiven Dinge. Ich hoffe, ihr könnt das verstehen.

Lange habe ich überlegt, wann ich diesen Beitrag poste und wann ich den Menschen von meiner Rückkehr erzähle. Denn ich möchte nicht, dass mir jetzt jeder schreibt. Auch wenn es nur lieb gemeint ist, nimmt mir das die Zeit hier, wenn ich euch darauf antworten muss. Es geht mir gut, ihr müsst euch keine Sorgen machen, ich hab euch alles, was es zu sagen gibt, gesagt und für den Moment muss das reichen.

Ich weiß auch noch nicht, was ich mit all den Posts, die ich schon angefangen habe, aber noch nicht veröffentlicht habe, mache. Wahrscheinlich werde ich sie trotzdem posten, auch wenn es überhaupt nicht in die Reihenfolge passt. Aber mal gucken.

Das war’s dann jetzt auch. Ich muss packen und danach zu meiner letzten Abschiedsparty. Gestern kam in den Nachrichten auch die Nachricht, man solle nur noch für wichtige Angelegenheiten das Haus verlassen, ich warte eigentlich nur noch auf die Ausgangssperre im Laufe des Tages.

P.S. Ich habe noch nicht einmal Zeit, den Text Korrektur zu lesen…obwohl ich das generell selten mache, aber dann eher aus anderen Gründen (Lachsmiley)

Über Vergleiche

Ich hatte seit langer Zeit nun endlich mal wieder Zeit, einen Beitrag zu verfassen, der sich nicht um meine Eindrücke hier in Indien dreht, obwohl das Thema auch hier manchmal aktuell ist. Und mir ist aufgefallen, wie sehr ich diese Texte vermisst habe.

Und zwar wollte ich ein bisschen über das Vergleichen mit anderen Menschen schreiben und wie ich meinen Weg gefunden habe, damit Umgang zu finden. Das bedeutet jetzt nicht, dass ich einen Leitfaden für jeden anderen geben möchte oder überhaupt die perfekte Lösung gefunden habe, sondern einfach mal ein bisschen dazu inspirieren möchte, einen für sich passenden Umgang damit zu finden. Nicht alle Situationen sind Probleme, mit denen ich zu kämpfen habe. In manchen Situationen beschreibe ich auch andere Personen und wie ich mich durch ihre Vergleiche fühle. Vielleicht wird dadurch deutlich, dass es immer zwei Betroffene beim Vergleichen gibt und man nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das des anderen achten muss.

Wie gesagt, ist das selbst noch nicht einmal für mich der perfekte Plan, um besser mit Vergleichen umzugehen. Für mich gibt es auch Tage oder Situationen, an denen oder in denen es besser läuft und eben auch nicht. Auch ich habe manchmal durchaus meine Zweifel vor allem an mir selbst. Doch gehören sie genauso zu mir wie mittlerweile eine gewisse Gelassenheit, die ich meistens versuche, zu hegen.

Vergleiche müssen nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeuten. Denn wie sonst sollte ich meine Motivation und Inspiration finden? Wenn ich sehe, dass jemand anderes etwas schafft und ich dann denke: „Oh, das könnte ich auch schaffen!“, dann hat dieser Vergleich doch etwas Wunderbares bewirkt. Auch kann ich mir die Strategien anderer anschauen und dann meinen ganz eignen Weg finden. Auch beim Umgang mit Vergleichen habe ich mir viele Ratschläge durchgelesen und mich dann immer gefragt: „Wie kann ich das jetzt auf mein Leben oder meine Situation anwenden.“

Vergleiche können auch zu Verbesserungen führen. Indem ich auf Fragen wie „Was kann ich verbessern?“ oder „Wie kann ich etwas verbessern?“ eine Antwort suche. Wichtig dabei ist, immer zu hinterfragen, ob mir der Vergleich noch gut tut.

Denn jeder gut gemeinte Vergleich kann ganz schnell negative Konsequenzen zur Folge haben. Insbesondere, wenn dadurch Neid entsteht. Eifersucht oder Neid hat für beide Seiten, also für mich, aber auch für die Person, mit der ich mich vergleiche, Auswirkungen. Ich für meinen Teil begebe mich damit in eine niedrigere Position als die der Person, mit der ich mich vergleiche. Dadurch fühle ich mich wertlos. Die andere Person bekommt von mir Missgunst zu spüren. Und auch wenn ich mich in der Situation gerade ziemlich schlecht fühle, der Person ihr Glück gerade überhaupt nicht gönne, ist das für die Person, die absolut gar nichts für meine negativen Gefühle kann, unfair, von mir so ein schlechtes Gefühl übermittelt zu bekommen.

Anders herum kann es genauso toxisch sein. Sobald ich mich nur gut fühle, wenn ich mich mit anderen vergleiche und sehe, dass sie schlechter in einer Sache sind, dann hat das nicht nur für mich, sondern auch für die anderen schlimme Folgen. Sätze wie „Ach ich bin eh hübscher, schlauer, besser, etc.“ führen zu einer Konkurrenzsituation aus der einer immer als Verlierer geht. Sprich, eine Person bekommt das Gefühl übermittelt, nicht gut genug zu sein. Jeder kennt bestimmt die Situation, ein Bild des Neuen Partners seines ehemaligen Partner zu sehen und den typischen Satz „Ich bin eh viel hübscher gewesen!“. Aber mal ganz ehrlich macht mich diese Denkweise wirklich glücklicher?

Ein weiteres Problem entsteht, wenn ich krampfhaft bei allem mithalten möchte. Im ersten Moment kann es meinem ersten positiven Punkt der Motivationsfindung noch ähneln. Doch der Unterschied besteht darin, dass ich mir selbst Druck mache. Immer dann, wenn ich ein bestimmtes Ziel erreichen muss, damit ich mich erst wertvoll fühlen kann, dann führt das eigentlich nur zur Unzufriedenheit. Denn es wird niemals dazu kommen, dass ich alles schaffe und ich werde niemals den Zustand von vollkommender Perfektion erreichen. Den gibt es nicht. Wenn ich aber ohne dahinzukommen mich selbst nicht als wertvoll sehen kann, dann werde ich auch niemals Zufriedenheit spüren. Dadurch stelle ich meinen eigenen Wert in Frage. Dabei muss ich doch nichts tun und nichts sein, um wertvoll zu sein. Ich als Mensch bin wertvoll und das sogar schon vor meiner Geburt. Und ich weiß, dass dies eine schwer begreifbare und umzusetzende Denkweise ist. Vor allem auch, weil es in unserer heutigen Gesellschaft ganz anders vorgelebt wird. Denn jeder will höher, weiter, schneller, reicher werden.  Ich habe auch ziemlich lange gebraucht, mich dem anzunehmen, doch jetzt, wo ich mir sicher bin, dass es so ist, macht es mir meinen Alltag so viel leichter. Denn der Satz „Ich muss nichts sein und nichts tun, um wertvoll zu sein“, nimmt einem all den Druck.

„Und wenn man eh nie alles erreichen kann, was es zu erreichen gibt, warum soll man dann nicht jetzt schon üben, sich das zu geben, was man versucht zu erreichen. Zufriedenheit. Gelassenheit. Ruhe. Mal abschalten. Langsam machen. Genießen. Sich feiern. Wenn man das nicht schon auf dem Weg zum Ziel macht, dann gibt es kein Ziel.“ –leider weiß ich nicht, wie die Verfasserin dieses Zitates heißt.

Generell sind äußerliche Vergleiche für mich immer ein Problem gewesen. Aber auch nur, weil ich mich mit einem komplett falschen Stereotypen verglichen habe. Und mit „falsch“ meine ich „für mich nicht passend“. Ich kann meine welligen Haare zum Beispiel nicht mit glattem Haar vergleichen. Ich kann mich als dünner Mensch auch nicht ständig mit den kurvigen Schönheiten vergleichen. Das sind Ziele, die für mich unerreichbar sind. Doch wenn ich mich mit Menschen vergleiche, die so ähnlich aussehen wie ich, dann kann ich sehen: „Oh, guck an, die hat auch so ein störrisches Haar wie ich und kommt trotzdem klar.“ oder „Ja, sie hat den gleichen Körperbau wie ich und er sieht gut aus, also kann ich es auch.“. Ich muss einfach akzeptieren, dass ich meinen Körper nicht jedem Ideal anpassen kann. Aber was ich verändern kann, ist meine Einstellung. „Wenn du mit deinem Körper nicht zufrieden bist, dann ändere etwas an deiner Denkweise und nicht an deinem Aussehen.“ Das ist jetzt hart gesagt und man muss diesen Satz nicht zu hundert Prozent ausleben. Allerdings bestimmt der Grad der Schönheit auch nicht, wie glücklich ich im Leben sein kann. Das hat ganz viel mit der inneren Einstellung zu tun. Doch wieso muss ich mein Aussehen verändern, wenn doch mein Körper gut ist, wie er ist? Wieso sollen wir alle dem gleichen Ideal entsprechen? Diversität ist doch etwas Schönes und nur so kann auch jeder eine Person zum Vergleichen finden. Eine Person, die zu mir passt und auch so aussieht wie ich, denn nur so kann der Vergleich und die Erkenntnis „Ich bin nicht allein damit“ auch funktionieren.

Generell hilft es mir, mich mehr mit Menschen zu umgeben, in deren Gegenwart ich mich auch wohl fühle. Menschen, die von mir keine Leistungen erwarten und mir das Gefühl geben, wertvoll zu sein. Und vor allem ist es wichtig, dass ich Menschen diese Werte auch entgegenbringe.

Ein weiteres Problem ist, dass die Mittelmäßigkeit leider zu oft unterschätzt und nicht ausreichend gewürdigt wird. Wie ich schon angesprochen habe, leben wir in einer Leistungsgesellschaft, in der jeder den besten Abschluss und das erfolgreichste Leben führen soll. Aber kann ein normales Leben nicht auch glücklich machen? Vor allem, wenn es doch das ist, was zu mir passt. Dieses Leben hat schließlich genauso einen Wert wie jedes andere. Kann ich auf ein durchschnittliches Abitur genauso stolz sein, wie auf ein 1,0 Abschluss? Tatsächlich ist das ein Vergleich an dem ich ziemlich oft verzweifle. Nicht etwa, weil ich nur einen guten und nicht einen herausragenden Abschluss erlangt habe. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich das Abitur geschafft habe, vor allem wenn ich bedenke, was ich dafür alleine alles geleistet habe. Doch wenn ich bei manchen Uni-Websites jetzt schon lese, dass ich mich mit meinem Abschluss nicht zu optimistisch bewerben sollte, ja dann fällt es mir immer noch schwer, Exzellenz in meiner Mittelmäßigkeit zu finden.   

Was hier auch deutlich wird, ist der äußere Einfluss, gegen den ich manchmal ankämpfen muss. Da kann es helfen, wenn ich mich selbst dagegen schütze. Zum Beispiel lösche ich alle Accounts in meinem Social Media, die mir nicht gut tun. Werde ich zum Beispiel neidisch, wenn ich mein Leben mit dem eines Influencers vergleiche, dann lösche ich diesen Account aus meinem Feed. Ganz einfach. Ich bin dabei sehr radikal und folge vergleichsweise zu anderen nur wenigen Personen des öffentlichen Lebens. Aber ich denke mir immer, dass ich selbst dafür verantwortlich bin, von was und wem ich mich beeinflussen lassen möchte und gerade das Internet hat nicht immer den besten Einfluss auf mich.

Was mir noch am Herzen liegt ist, dass ich mir nichts verwehren muss, nur weil ich nicht dem Ideal entspreche. Ich muss auf keine Beziehungen, mich selbst zu zeigen oder auf mich selbst stolz zu sein, verzichten. Denn alles steht jedem zu, denn jeder wird wertvoll geboren. Das muss ich mir nicht selbst wegnehmen.

Und zu guter Letzt noch ein abschließender Tipp: Ich vergleiche mich ganz gerne auch mal nur mit mir selbst. All meine Konzentration richte ich dann nur auf mein eigenes Leben und nicht das eines anderen. Ich nutze die Zeit allein für mich. Dann verwende ich meine vergangenen Erfahrungen meine Gefühle und mein Handeln als Maßstab für neue Situationen. Ich gebrauche das, was ich aus meinen tiefsten Tiefs und meinen höchsten Hochs gelernt habe. Und das Schöne dabei ist, dass nichts davon unmöglich ist, da ich ja alles schon einmal geschafft habe. Und auch so kann ich mich weiterentwickeln, wenn ich beispielsweise eine Situation beim nächsten Mal besser lösen möchte.

Man sollte also immer gut über die Konsequenz des Vergleichs nachdenken und was er aus einem macht. Und auch wenn es mal nicht gut klappt, dann ist das auch okay. Wir sind doch alle bloß Menschen. Wir sind alle wunderbar!!

Sind wir vielleicht durch unsere Einzigartigkeit auch ein Stück weit unvergleichbar?