Abschied nehmen

„HOW LUCKY I AM TO HAVE SOMETHING THAT MAKES SAYING GOODBYE SO HARD.“

Winnie the Pooh

Die letzen Tage vor der Ausreise kreiste immer ein ganz bestimmter Gedanke durch meinen Kopf: „Das ist das letze Mal, dass ich das vor Indien tue.“
Das letzte Mal die Freunde sehen.
Das letzte Mal die Familie sehen.
Der letzte Spaziergang mit dem Hund.
Das letzte Mal Feiern gehen.
Das letzte Mal Pizza.
Das letzte Mal in meinem Bett schlafen.
Das letzte Mal neben „dir“ schlafen.
Eine letze Umarmung.
Ein letzter Kuss.
Und dieser Gedanke hat mich so unglaublich traurig gemacht, dass ich sogar versucht habe, meine „letzen Male“ zu feiern, um etwas positiver an die Sache heran zu gehen. Meine Schwester und ich haben tütenweise Süßigkeiten gekauft, von denen ich mir sicher war, dass ich sie nicht mehr essen kann und haben ein letztes Mal in ihrem Bett einen Mädelsabend veranstaltet. Und trotzdem betrübt mich der Gedanke, dass ich diese Dinge dieses Jahr nicht mehr machen kann, immer noch. Weil ich Angst habe, sie zu vermissen.
Ich weiß, dass ich in Indien andere Dinge kennenlerne, die den Platz meiner Angewohnheiten in Deutschland einnehmen werden. Aber trotzdem habe ich Angst, dass da immer noch die Leere des Vermissens bleibt.
Obwohl es eigentlich eine positive Erfahrung sein kann, aus der ich lernen kann, die Dinge in Deutschland mehr zu schätzen.
Außerdem bedeutet der Abschied auch nicht, dass ich diese Dinge nie wieder erleben werde.

Dieser Gedanke macht es einfacher zu gehen. Die Hoffnung darauf, in einem Jahr wieder „Hallo“ sagen zu können.
Bis dahin, werde ich euch -meine Lieben- und meine Angewohnheiten hoffentlich nicht allzu sehr vermissen.

Übrigens muss ich meinen Blog zur Zeit noch über mein Handy bearbeiten. Deswegen ist die Formatierung wahrscheinlich etwas anders, aber ich habe auf meinem Laptop noch kein Zugriff auf das WLAN . Bis ich das Passwort erhalten habe, werde ich auch keine Reiseberichte oder Gedanken posten. Außerdem muss ich auch erstmal ankommen.

P.S Ich habe jetzt eine Seite mit meinem Kontakt erstellt, falls jemand das Bedürfnis hat, mir eine Mail zu schreiben.

Nachtgedanken

Mit der Nacht kommt auch die Dunkelheit, legt sich wie ein Schleier über uns. Wir fangen an, uns frei zu fühlen. Für diesen kurzen Augenblick erlauben wir uns, verletzlich zu sein, weil wir glauben, die Dunkelheit bewahre unsere Geheimnisse.

Genau in diesen Momenten, sind wir mutig genug, Dinge auszusprechen, die wir bei Tageslicht nur unseren Gedanken erlauben. Dabei vergessen wir jedoch, dass die Sonne bald wieder aufgehen und Licht ins Dunkeln bringen wird.

Doch was würden wir ohne diese Nächte tun, die für uns endlos erscheinen.

Alles, was du bist, darf blühen

Am ersten Tag meines letzten Vorbereitungsseminars starteten wir gleich mit einem Impuls. In der Mitte verteilt lag das „Chill-mal-Dein-Leben-Kartenset“ und jeder von uns hatte einen kurzen Augenblick Zeit, sich eine Karte zu nehmen. Zu dieser sollten wir dann in die Runde berichten, warum wir diese Karte gewählt haben und wie sie zu unserer derzeitigen Stimmung passte. Schon ganz am Anfang gefiel mir eine Karte ganz besonders. Doch ich war auch neugierig darauf, was auf den anderen Karten so stand, sodass ich noch weiter geschaut habe. Allerdings ging mir diese eine Karte nicht mehr aus dem Kopf und so habe ich bei der Hälfte kehrt gemacht und mir die Karte geschnappt.

„Alles, was du bist, darf blühen.“

Es musste diese eine Karte sein. Sie hatte meine Aufmerksamkeit erregt, nur wusste ich nicht genau weswegen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie zu mir passte. Ich meine, ich liebe Blumen und die Natur und hab von meinem Blumenkranz beim Abiball gesprochen und wie ich, verglichen mit einer Blume, immer Zeit brauche, bis ich in irgendetwas oder in irgendeiner Gesellschaft aufblühe. Doch so ganz traf das auch noch nicht zu.

An den letzten Tagen des Seminars traf ich ein weiteres Mal auf diesen Spruch. Jeder von uns hatte einen Namen gezogen und sollte für diese Person eine Kerze gestalten, die dann bei der Vesper (sprich dem Abendgottesdienst) überreicht werden sollte. Auf der Kerze, die ich am Abend bekam, stand wieder dieser eine Spruch, mein Spruch.

„Alles, was du bist, darf blühen.“

Vor dem Sendungsgottesdienst am nächsten Tag tauschten wir alle aus der Gruppe gegenseitig für uns geschriebenen Kärtchen aus. Als ich dann am darauf folgenden Tag alle meine Karten las, war auf der Karte der Person, die mir auch die Kerze verziert hatte, wieder dieser eine Spruch geschrieben und dazu die Erklärung. Ich glaube da erst begriff ich, was mich an diesem Spruch so sehr berührt hatte. (Also falls diese eine Person das jetzt lesen sollte: vielen Dank für diesen kleinen Denkanstoß)

„Alles, was du bist, darf blühen.“

Ich als Mensch neige dazu meine Talente hervorzuheben, denn ich fühle mich dabei wohl, etwas zu präsentieren, von dem ich weiß, es gut zu können. Ich kann aufblühen, zeige aber lieber meine schönen Seiten. Doch in diesem Satz geht es darum, dass ALLES von mir blühen darf. ALLES umfasst nicht nur das, was eh schon blüht. Sondern eben auch die Dinge, die ich gerade nicht so an mir mag, die aber trotzdem ein Teil von mir sind.

Wie ich das schaffen soll? So ganz genau weiß ich das auch noch nicht. Dazu gehören sehr viel Selbstliebe und die Akzeptanz meiner eigenen Schwächen, die ich ein Stück weit schon erlernt habe, aber noch nicht beherrsche. Ich muss mich und meine Schwächen besser kennenlernen und eben auch lieben lernen. Auf jeden Fall muss ich aufhören, mich krampfhaft mit anderen vergleichen zu wollen und sie zu imitieren. Denn es geht um mich und was an mir blühen kann.

Was ich mir davon erhoffe? Ich merke, wie anstrengend es ist, ständig meine Schwächen zu verheimlichen, sie ausgleichen oder loswerden zu wollen. Stattdessen will ich zu ihnen stehen können, sie belächeln können und sie eben blühen lassen.

Was mich an dieser Karte die ganze Zeit so fasziniert hat, war meine unausgesprochene Sehnsucht. Ich will nicht mehr nur zur Hälfte blühen, sondern ganz. Denn ALLES, was ich bin, darf blühen.

Und wie ist es bei dir? Willst du weiterhin deine Schwächen verstecken? Ich weiß, dass du welche hast. Das haben wir alle. Aber auch alles, was du bist, darf blühen.