
Am Freitag ging bei uns die Mail ein, dass ab Montag, den 23. März keine internationalen Flüge aus Indien mehr stattfinden sollen. Da wir ab Mumbai um 2.30 Uhr unseren Flug gebucht hatten, fiel unser auch weg. Zur Sicherheit riefen wir am Samstag noch einmal bei der Fluggesellschaft an und auch diese bestätigte den Ausfall unseres Fluges. Zudem sollte ab dem Sonntag eine freiwillige Ausgangssperre einsetzen, die anscheinend nicht ganz so freiwillig war, da jeder sich strickt daran hielt. Also stellten wir uns darauf ein, auf ungewisse Zeit in Indien bleiben zu müssen und auf die Rückholaktion aus Deutschland zu warten. Wir hätten ansonsten noch die Möglichkeit, am Samstag zu fliegen, gehabt. Allerdings wäre bei diesen Flügen auch nicht gewiss gewesen, ob sie wirklich stattfinden und wir wollten lieber auf unserer Stelle bleiben, als auf irgendeinem Flughafen festzustecken.
Also planten wir die restlichen Tage gemütlich zu Hause ein. Die ganze Zeit war ich mir allerdings nicht sicher, ob und wie weit ich meinen Koffer wieder auspacken sollte. Doch das Wochenende wollte ich damit noch größtenteils warten und hab nur ganz wenig wieder ausgepackt.
Sonntagmorgen hat Lukas dann plötzlich einen Anruf der Fluggesellschaft bekommen. Diese berichtete von einer Sondergenehmigung unseres Fluges und wollten wissen, ob wir diesen noch antreten wollen. Uns blieb kaum Zeit zum Nachdenken. In einer halben Stunde mussten unsere Koffer gepackt werden (zu dem Zeitpunkt war ich besonders froh, ihn noch nicht wieder ausgepackt zu haben). Ich habe einfach blindlinks alles geschnappt, was ich in der kurzen Zeit noch zu packen bekommen habe und habe es in meine Tasche und Koffer reingestopft. Dann hab ich versucht den Müll in Müllsäcken zu sammeln und hab für den Flughafen Klopapier eingepackt. Alle waren total im Stress, denn eigentlich war ja auch eine Ausgangssperre angesagt und die Botschaft hat extra noch einmal empfohlen, Zuhause zu bleiben. Und auch wenn der Flug von Mumbai anscheinend stattfinden sollte, wussten wir nicht, ob wir einen Inlandsflug nach Mumbai bekommen können. Die Fathers waren -mehr als wir selbst- um unsere Sicherheit besorgt und haben uns die Koffer uns alles ins Auto getragen. Dann gab es eine schnelle Verabschiedung und mit dem Auto wurden wir zum Flughafen gebracht.
Deswegen haben auch die Fathers am Flughafen gewartet, bis wir durch die Sicherheitskontrolle durch waren. Der Flughafen war wie leer gefegt, denn der Flug, mit dem wir starten sollten, war der einzige, der noch geflogen ist. Wir konnten so durch, obwohl unsere Koffer Übergewicht hatten… Im Flugzeug saß auch kaum jemand und wir haben uns total unwohl gefühlt, da wir anders als alle anderen Passagiere keinen Mundschutz hatten.
In Mumbai angekommen mussten wir zehn Stunden warten und die ganze Zeit wussten wir nicht, ob der Flug nicht doch noch abgesagt wird. Es war schon ein wenig gruselig, denn es war auch wieder kaum etwas los und die Mehrheit der Reisenden war nicht indisch. Fast alle Geschäfte waren geschlossen, nur ein paar Restaurants und die Apotheke waren offen. Zum Glück haben wir dort auch noch eine Schutzmaske bekommen.


Zwischendurch haben wir uns noch mit anderen Reisenden unterhalten und ich muss sagen, wir hatten unglaublich Glück im Unglück. Viele mussten noch von Amsterdam weiter nach Amerika oder Kanada fliegen. Ein Mann aus Malta war von Kopf bis Fuß tätowiert und hatte in der letzten Woche unglaubliche Schwierigkeiten. Er wurde aus seinem Hotel geschmissen, konnte in den meisten Restaurants kein Essen mehr bekommen und musste zweieinhalb Stunden zum Flughafen laufen, weil keine Rikscha oder kein Taxi ihn mehr mitnehmen wollte. Viele haben davon erzählt, dass Inder ihnen ausgewichen seien und jetzt mit der Ausgangssperre alles noch schwieriger geworden sei. Die Stimmung unter allen Reisenden war durch die Angst vor Krankheiten und die Anschlussflüge zu verpassen angespannt. Kurz bevor wir in den Flieger einsteigen sollten, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen ein paar Passanten und dem Personal. Ein Mann hat sich darüber aufgeregt, dass es kaum gesundheitliche Kontrollen gab. Er meinte, dass es völlig wahnsinnig sei, denn wenn einer krank im Flieger sitzt, wären alle in Gefahr. Seine Wut hat er dann gleich an dem Mann am Schalter ausgelassen. Dieser versuchte ihn gerade zu beruhigen, als der nächste sich schon aufgeregt hat. Diesmal war die zeitliche Verzögerung der Grund für die Aufregung. Das Argument, dass sich durch die ganzen Ausbrüche der Einstieg nur noch mehr verspätet, hat dann auch schnell für Beruhigung gesorgt. Doch die ganze Aufregung hat alle aufgewühlt. Als ich dann noch die ganzen Slums beim Abflug aus dem Fenster gesehen habe, war es auch vorbei bei mir. Mein Kopfkino setzte wieder ein und ich war kurz vor der Tränen, weil ich so Angst davor habe, dass der Virus nach Indien kommt. (Da bin ich einfach wieder zu sensibel für diese Welt…) Ich hab mir dann meine Beruhigungspillen (zum Glück der anderen) eingeworfen und hab die neun Stunden Flug fast vollständig durchgeschlafen.

In Amsterdam gab es dann den ersten Temperaturtest nach unserer Ankunft. Ständig wurden Ansagen gemacht, dass Sicherheitsabstände eingehalten werden sollen und es war wieder mehr los am Flughafen. Nach zwei Stunden Umsteigezeit saßen wir dann im Flieger nach Düsseldorf. Dort wurde ich dann von meiner Schwester und meinem Vater abgeholt.
Ich war heilfroh, dass ich am Flughafen noch ein Brötchen bekommen konnte, denn der Service im Flieger wurde weitestgehend eingestellt und ich war deswegen halb verhungert. Am Auto wurde ich erst einmal komplett mit Desinfektionsmittel eingenebelt und meine Schwester hat auch noch einmal das Auto von innen gereinigt. Im Anschluss ging es endlich nach Hause. Die anderen Freiwilligen, die ursprünglich mit uns zusammen fliegen wollten, habenden Flug nicht angetreten und sitzen jetzt noch in Indien. Dadurch, dass alles an öffentlichen Verkehr und weiteres bis zum 31. März eingestellt wurde, kommen sie auch nur schwer zu den Flughäfen… Ich bin gespannt, wie sich das noch entwickeln soll und bin froh, dass wir noch den letzten Flug genommen haben. Auch wenn wir in dem Moment kaum über unser Handeln nachgedacht haben und aus reinem Reflex gehandelt haben, war es die richtige Entscheidung, die wir für uns getroffen haben.
